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Heckenkörper- Körper ohne Haut

 

 

Westlich des EMPA-Gebäudes, im Vorgelände eines Riedstreifens, der vom Burgweiherbach durchflossen wird, hat Jürg Altherr seinen Heckenkörper errichtet: Ein über 70 Meter langes, auf der einen Längsseite leicht gebogenes Skelett aus verzinkten Stahlstreben , in zwölf gleich breite Felder unterteilt, gegen den Kreisbogen hin abfallend. Die durch die Querträger definierte schiefe Ebene erreicht auf der geraden Längsseite eine Firsthöhe von 7 Metern; auf der Gegenseite endet sie rund anderthalb Meter über dem Grund. Vier mächtige Rohre von je zwei Metern Durchmesser sind in dieses Skelett hineingelegt und hineingehängt, jedes einzelne begehbar, doch sich nirgends berührend und so angeordnet, dass ein Durchschreiten in ganzer Länge nicht möglich ist. Die ganze Konstruktion ist lose auf ein Kiesbett gelegt. Sie ist eigentlich umkehrbar: Bei einem Wechsel von oben und unten zeigt sie dasselbe Bild. Als Teil dieses stählernen <Körper ohne Haut>,  wie Altherr ihn nennt, ist dessen gesamte Grundfläche mit mehreren hundert Hagebuchen in regelmässigen Abständen bepflanzt. Sie werden mit der Zeit den ganzen Innenraum durchwachsen, werden die Skelett-Träger überwuchern, jedoch immer wieder auf die Grundform zurückgestutzt werden.

 

Das leicht abfallende Gelände, auf dem der Heckenkörper liegt, wird südlich vom Bürotrakt des EMPA-Gebäudes und dem grossen Parkplatz begrenzt; dahinter liegt der langgestreckte Baukubus eines Druckereibetriebs. Den westlichen Abschluss bilden Lagerplatz und -halle eines Bauunternehmens und die Werkhalle einer Metallbaufirma; gegen Norden schliessen sich ein ungeordneter Parkplatz und kleine Wohnbauten aus dem ersten Jahrhundertdrittel an, nordöstlich eine Überbauung aus kleineren Wohnblocks. Zwischen diese Wohnsiedlungen und das Gelände des Heckenkörpers schiebt sich entlang des Baches ein Spickel Riedland, der sich östlich der neuen Strassenbrücke fortsetzt - ein letzter Rest Sumpflandschaft im Gebiet des zugeschütteten und grösstenteils überbauten Eisbahnweihers. In diesem buntscheckigen Umfeld wird Altherrs Heckenkörper zu einer Art Brennpunkt. Elemente der umliegenden Industriebauten finden sich wieder in der trotz ihrer Grösse fast filigran wirkenden Stahlkonstruktion; mit der Bepflanzung antwortet der Künstler auf den schmalen Streifen Riedland und setzt sich gleichzeitig davon ab, indem er den Wildwuchs der Naturlandschaft mit dem geordneten und immer wieder durch menschliche Eingriffe gelenkten und korrigierten Wachstum des Heckenkörpers konfrontiert.  

 

Auch im Verhältnis zu den benachbarten Industriebauten lässt sich diese Ambivalenz erkennen. Zwar mutet das Gebilde zunächst wie das Stahlgerippe für ein weiteres Bauwerk an; bei genauerem Hinsehen aber wird erkennbar, dass es in dieser ganzen Konstruktion keinen rechten Winkel, keine Horizontale und keine Vertikale gibt. Das scheinbar Festgefügte wird in Frage gestellt, die Eindeutigkeit der Form durch die ständigen Veränderungen des Hagebuchenwäldchens aufgelöst. Aus diesem Wechselspiel von Festigkeit und Verwandlung, von präziser Konstruktion und organischem Wachstum, von Annäherung an die Umgebung und deutlichem Sich-Absetzen entsteht ein vielfältiges Beziehungsgeflecht: Jürg Altherrs Heckenkörper wird gleichsam zum Scharnier zwischen Technik und Natur, überbaute Umgebung und mehr oder weniger sich selbst überlassener Landschaft. In dieses Geflecht wird auch einbezogen, wer sich der Skulptur nähert, sie umschreitet, sie im Wechsel der Jahreszeiten bald im dichten Blätterkleid der Hagebuchen, bald mit kahlem Bewuchs erlebt.

 

 

 

 

 

 

  

 

Stahlkonstruktion: H 7 m, B 15 rn,L 70 m, feuerverzinkt, silbergrau beschichtet, bepflanzt mit 460 Hagebuchen (1994-98)

Skulptur und Landschaftsgestaltung: Jürg Altherr


EMPA-Bauten: Theo Hotz, Architekt, Zürich
Statik Skulptur Peter Ostervvalder, Oberneunfon und Zürich

Projektbegleitung: Prof. Paul Meyer, Walter Oeschger, Hans-Peter von Ah

Baubegleitung: Judith Hornberger, AfB, Zürich, Guido Rigutto,
Theo Hotz AG, Zürich

 

EMPA St. Gallen

Örtliche Bauleitung: Heinz Handschin, Ehrenbold+lnauen, St.Gallen
Erdarbeiten: Kies AG, St.Gallen
Metallbau: Bruno Rey, Heinz Fiechhr, Roman Jetter, REY AG, St Gallen
Gartenbau: Siebrec
ht AG, St.Gallen
Partner für die Landschaftsgestaltung: Matthias Peterer, Grünenfelder und Lorenz, St.Gallen


Ökologische Beratung: Prof. Peter Bolliger, ITR Rapperswil

Text: Peter Schaufelberger, St Gallen


Fotografie: Christen Kurz, Zürich

EMPA

Lerchenfeldstrasse 5
CH-9014 St Gallen

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Telefax +41 (0)71274 74 99

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